Annette Kristiansen studierte zunächst Sozialwesen in Würzburg. Nach dem Abschluß 1984 folgte ein dreijähriger Aufenthalt in Saudi Arabien, um anschließend 1992 als kognitive Verhaltenstherapeutin ihr Berufsbild abzurunden. Erst 2001 begann Kristiansen ein Studium der Malerei und Grafik an der Freien Akademie der bildenden Künste in Essen bei Stefan Paul Schneider, Bernard Lokai und Wolfgang Hambrecht. 2007 schloß sie mit besonderem Erfolg ab. Sie wurde Meisterschülerin und ist heute freischaffend tätig. Sie wohnt und arbeitet in Lüdinghausen. Annette Kristiansen ist Mitglied des BBK (Berufsverband Bildender Künstler). Seit 2002 stellte sie ihre Werke aus, zunächst in Gemeinschaftsausstellungen, wie zum Beispiel im Museum Kunstpalast Düsseldorf. Ab 2007 auch in diversen Einzelausstellungen. Eindrücke von regelmäßigen Aufenthalten in Japan und Besuche der kunsttheoretischen Seminare von Prof. Dr. Michael Bockemühl an der Universität Witten 2008 - der sich u.a. mit der Welt des Lichtes und der Farbe bei William Turner beschäftigt hat - finden sich in ihren Arbeiten wieder. Beim ersten Blick auf die Bilder von Annette Kristiansen mag man zunächst an einen künstlerischen Beitrag zur monochromen Malerei denken. Doch sehr bald erscheinen die Farben durch die Augenbewegung des Betrachters diffuser. Je länger man schaut, umso so mehr scheinen diese sich zu 'entmaterialisieren' dadurch, daß sie unserem gewohnten Farbspektrum nicht mehr eindeutig entsprechen. Es geht hier also doch nicht nur allein um eine Monochromie, wie etwa bei Yves Klein. Dessen ausgedehnte blaue Farbgebung stellt trotz leichter Oberflächenbewegung eine geschlossene Fläche dar, in die sich der Betrachter versenken kann. Bei Yves Klein erscheint das Blau, obwohl es keinen eigentlichen Gegenstand zeigt, als etwas Greifbares, Körperhaftes. Anders verhält es sich bei Annette Kristiansen. Trotz der Blautonigkeit erscheint diese nicht mehr so dominant, vielmehr mischt sich ein subtiles Grau darunter, was sich im Auge des Betrachters gegeneinander zu verschieben scheint. Es entwickeln sich Formen in der Farbe, die Farbe taucht auf, wie ein Hauch, es entwickelt sich quasi eine ungreifbare Farbgebung beider Farben, die in ständiger Bewegung scheinen. Die Künstlerin trägt die Ölfarbe mittels Pinsel auf metallgrundierte Aluminiumplatten als Bildträger auf. Mehrere Farbschichten werden nach zum Teil langen Trocknungsprozessen der einzelnen Schichten aufgetragen. Eine farblich erscheinende Rahmung ergibt sich dabei zufällig, ansonsten existiert für das Auge kein Rand. Auch bei den Streifenbildern ist das Auge nicht in der Lage abzugrenzen.
Einige Farbgebungen hingegen verschwimmen nicht wie in einem Nebel. Vielmehr zeigen sie deutlich die feste Struktur eines Pinselauftrags, etwa in einer gelbtonigen Arbeit, die an japanische Seidenstoffe zu erinnern scheint, die möglicherweise aus der Erinnerung längerer Japanaufenthalte der Künstlerin resultiert. Alle Arbeiten von Kristiansen atmen eine besondere Stimmung: das Licht, das dunstig im Nebel aus der Farbe emportschwebt. Dabei scheint die Betrachtung der Bilder kein Ende zu finden. Im Übergang von Nuance zu Nuance verwandelt sich das Bild im Auge des Betrachters sehr individuell und beständig weiter.
Michael Wessing
Zusammen mit: Anke Reevers
Annette Kristiansen • Öl auf Aluminium
Annette Kristiansen: »0315 o.T.«, 2013
Öl auf Aluminium, 100 cm x 100 cm