Berty Skuber wurde in Völs am Schlern (Fié allo Sciliar) unweit Bozen, Südtirol geboren, wo sie noch heute auf dem Prakfoler Hof lebt und arbeitet.
Sie besuchte ein Kunstlyzeum und arbeitete in Ateliers von Künstlern wie etwa bei Emilio Vedova (9.8.1919 – 25.10.2006), einem Hauptvertreter der italienischen Informel-Malerei der fünfziger und frühen sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts.
Die multimediale Künstlerin nimmt seit 1969 an zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen teil. Ihre Bücher, Videos, Objekte, Installationen, Skulpturen und Fotos befinden sich in öffentlichen Sammlungen in Österreich, Polen, Frankreich, Italien, den USA, Dänemark und Deutschland.
Durch die Berührung mit der internationalen Fluxus-Bewegung begab sich Berty Skuber seit Mitte der neunziger Jahre bis heute auf den unendlichen Weg einer Jägerin und Sammlerin. Skuber konnte Freunde, Bekannte und auch Fremde in der ganzen Welt einbinden in eine Art kollaboratives Projekt, die ihr die unterschiedlichsten Dinge zusandten, die die Künstlerin vorher mit ihnen thematisiert hatte.
Beispielsweise werden unterschiedliche Labels von Bekleidung, abgetrennt von ihrem Trägermaterial, als kleine kunstvolle Embleme thematisch zusammengestellt, wodurch sie eine neue Ästhetik erreichen.
Nach dem gleichem Gestaltungsprinzip stellt Skuber - nachdem ihr aufgefallen war, wie wenig Frauen auf Briefmarken dargestellt werden - Briefmarkenserien in einen bestimmten Zusammenhang. Die Serie entstand in den Jahren 2004 bis 2008. Namen wie Marilyn Monroe (1926 – 1962), Bessie Coleman (1892 - 1926, die erste Afroamerikanerin mit einem internationalen Pilotenschein), Greta Garbo (1905 – 1990), Lady Di (1961 – 1997) oder Clara Maass (1876 – 1901, eine amerikanische Krankenschwester, die durch freiwillige medizinische Experimente am Gelbfieber starb) seien hier nur stellvertretend genannt.
Ausgangspunkt für andere Kunstwerke ist für Berty Skuber auch die Fotografie. Das Polaroid-Projekt „Abacus/ Reservoir“, aus dem Zeitraum von 2003 bis 2010 dokumentiert in einer Fotoserie die sukzessive Veränderung einer landschaftlichen Gegebenheit in bestimmten Abständen im Verlauf der Jahreszeiten. Das Zusammenstellen dieser Fotos zeigt Abstand zu den Dingen und impliziert eine neue Sehweise altgewohnter Strukturen.
Das Gleiche gilt für ihr Projekt „London: A Poem, 2009“, wo Skuber bei einer Begehung der Stadt London die dort im Asphalt oder in der Pflasterung eingelassenen Schachtdeckel der Kanalisation ablichtete. Durch die serielle Anordnung der Fotos ergibt sich eine ungewohnte Ästhetik für den Betrachter dieser ansonsten unbeachteten Objekte, die man erst bei aufmerksamen Hinschauen entdeckt.
Durch ihre Sammelleidenschaft richtet Berty Skuber ihre Aufmerksamkeit auf die kaleidoskopischen Vorgänge der Außenwelt. Ihr Reservoir, auch „Berty’s Bazaar“ genannt, spiegelt eine elementare Begrifflichkeit von den Dingen wider. Wie in Boxen der Erinnerungen werden in Wechselrahmen oder auch in Form von endlos erscheinenden Leporelli Fragmente aus früheren Arbeiten collagiert. Dabei verwendet sie kleine Schnittmuster – in Erinnerung an ihren Vater, der Maler und Schneider war -, die mit feiner Tusche verändert und umgedeutet werden. Ein ständiges Arbeiten in langlebigen Prozessen.
Die Leporelli wirken wie Tagebucheinträge, manche sind mit dem Titel „Mandalas“ überschrieben. „Mandalas Colors“ von 2013 weist in Aquarelltechnik eng überlagert farbige Strichführungen auf, die wie ein bunter Teppich angelegt sind.
In ihren figuralen und geometrischen Schaubildern des Werkkomplexes „Games & Epicycles“, die meist kreisrund und stets auf ein Zentrum orientiert ausgerichtet sind, schafft es Berty Skuber den Betrachter durch bestimmte Farben und Formen in seiner Psyche anzusprechen und zu stimulieren. Quasi eine Erweiterung des ursprünglichen Gedankens der Mandalas, die das gesamte Universum mit Himmel, Erde und Unterwelt verkörpern. Die frühere Arbeit der Londoner Kanaldeckel zeigt bereits diesen Anreiz.
Auch Fotos, Briefe, Marken, Labels, Zeichnungen sowie Grafiken werden einer kalligrafischen Umarbeitung unterworfen. Skuber spielt mit der Zeichnung, dem Aquarell, der Fotografie, vor allem aber mit der Schrift und der Schriftgrafik, wobei ihr Vorgehen dabei meist assoziativ ist. Im Zusammenspiel der Kompositionselemente entwickelt sich für den Betrachter eine eigene neue Poesie.
Zu den Höhepunkten der künstlerischen Darstellung der epizyklischen Weltsicht von Sonne, Mond und Planeten zählt zweifellos Berty Skubers Teilnahme an der diesjährigen internationalen Lichtkunst-Ausstellung „lichtsicht 4“, der Projektions-Biennale in Bad Rothenfelde, wo sie auf der großen Projektionsfläche des Neuen Gradierwerkes ihre ganzheitliche Betrachtung der Welt offenbart. Zu sehen noch bis zum 5. Januar 2014.
Michael Wessing
Zusammen mit: Fritz Levedag
Zusammen mit: Christoph Gesing
Berty Skuber • Abacus / Reservoir, 2011
Berty Skuber · »Widdershins II« & »Briefe für Wulf, 1990 – 2015«
Berty Skuber, 1941 in Völs am Schlern (Fié allo Sciliar) unweit Bozen, Südtirol geboren, lebt und arbeitet dort noch heute auf dem elterlichen Prakfoler Hof. Durch den Einfluss ihres Vaters Hans Kompatscher, einen Schneider und Maler, der handwerklich sehr geschickt, künstlerisch ein vielseitig begabter Autodidakt, auch im musischen Bereich, war, erhielt Berty Skuber sehr früh Anreize zur Kunst. Bereits früh begann sie zu zeichnen. Mit sechzehn Jahren lernte sie Peter Kolosimo kennen, einen Schriftsteller, der sich in seinen Werken mit den Mysterien der Welt auseinandersetzte, was sie faszinierte. Nach ihrer Ausbildung an einem Kunstlyzeum arbeitete sie in Ateliers von Künstlern, u.a. bei Emilio Vedova (1919 – 2006), einem Hauptvertreter der italienischen Informel-Malerei der fünfziger und frühen sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Die multimediale Künstlerin nimmt seit 1969 an zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen teil. Ihre Bücher (seit 1980), Videos (seit 1992), Objekte, Installationen, Skulpturen und Fotos befinden sich zahlreichen öffentlichen Sammlungen in Österreich, Deutschland, Polen, Frankreich, Italien, den USA und Dänemark. Durch den Kontakt mit der internationalen Fluxus-Bewegung begab sich Berty Skuber seit Mitte der neunziger Jahre bis heute auf den unendlichen Weg einer Jägerin und Sammlerin. Skuber konnte Freunde, Bekannte und auch Fremde in der ganzen Welt einbinden in eine Art kollaboratives Projekt, die ihr die unterschiedlichsten Dinge zusandten im Zusammenhang dessen, was die Künstlerin vorher mit ihnen thematisiert hatte. Das Jahr 1995 markierte den Beginn von Skubers Reise durch die Welt der Labels. Die unterschiedlichen Etiketten von Bekleidungen, abgetrennt von ihrem Trägermaterial, als kleine kunstvolle Embleme thematisch und ästhetisch zusammengestellt und sortiert nach Farbigkeiten, wurden von ihr per Hand auf Stoffunterlagen aufgenäht. So entstanden bis etwa 2002 quasi kleine parallele Bilderwelten, ein Kaleidoskop der Eitelkeiten – auch mit einem kleinen Augenzwinkern. Nach dem gleichen Gestaltungsprinzip stellt Berty Skuber – nachdem ihr aufgefallen war, wie wenig Frauen auf Briefmarken dargestellt werden – Briefmarkenserien in einen bestimmten Zusammenhang. Diese Collagen entstehen zwischen 2004 und 2014, montiert und aufgeklebt auf Kartonschalen, sogenannten „paper plates.“
In dem Projekt „Katabatic Wind“ von 1994 setzt sich die Künstlerin mit den Auswirkungen der sogenannten Gravitationswinden auseinander und erforscht die Vorgabe von strukturellen Mustern in der Natur. Aus ihren Beobachtungen heraus erschafft die Künstlerin in kleinen, farbigen, auch comicartigen Aufzeichnungen ihren eigenen Kosmos. Ideenreich und phantasievoll setzt sie sich mit Natur, Umwelt und Menschheit – Skuber wollte eigentlich Anthropologin werden - bis hin zur Selbstbefragung auseinander, wenn sie zum Beispiel eine Zeichnung mit „Warum muß ich meine Anwesenheit rechtfertigen“ kommentiert. Ausgangspunkt für andere Kunstwerke ist für Berty Skuber die Fotografie. Das Polaroid-Projekt „Abacus/ Reservoir“, entstanden zwischen 2003 und 2010, dokumentiert in einer Fotoserie, die aus 233 Fotos besteht und von Zeichnungen begleitet wird, die sukzessive Veränderung einer landschaftlichen Gegebenheit im Verlauf der Jahreszeiten. „Reservoir“ (2010) gehört zu einem Komplex der Abacus-Trilogie, bestehend aus „Carte Veneziane“ (2007) sowie „Games“ (2013). Auch hier dient das Spiel mit Objekten – im ureigendsten Sinn von Fluxus - als Ausgangspunkt für assoziative Ausdrucksformen, die, wie sie sagt „um Gedanken, Bilder und Sichtweisen der äußeren Welt kreisen. Sie sind ein Versuch, sich in dieser Welt zu orientieren.“ Die collagierten Arbeiten der Maueranker von venezianischen Brücken „Ponti Veneziani“ von 2006 sowie der Kanaldeckel „London: A Poem“ von 2015 gehören ebenso zu ihren Fotosequenzen wie „100 skies“, entstanden aus dem Projekt „Aeolus“ (1997 – 1999). Durch ihre Sammelleidenschaft richtet Berty Skuber ihre Aufmerksamkeit auf die kaleidoskopischen Vorgänge der Außenwelt, wenn sie postuliert: „The sun is new each day.“ Ihr Reservoir, auch „Berty‘s Bazaar“ genannt, spiegelt eine elementare Begrifflichkeit von den Dingen wider. Skuber spielt mit der Zeichnung, dem Aquarell, der Fotografie, vor allem aber mit der Schrift und der Schriftgrafik, wobei ihr Vorgehen dabei meist assoziativ ist. Im Zusammenspiel der Kompositionselemente entwickelt sich für den Betrachter eine eigene neue Poesie. Beim Entstehen von Skubers sogenannten „Widdershins“ geht es um einen kombinatorischen Prozeß mit freier Assoziationseingebung. Eine klare Übersetzung dieses Begriffes ist schwierig. Aber letztlich handelt es sich um eine Vorstellungsverknüpfung mit der Sonne, wobei gegen die Sonne gemeint ist: „wider die Sonne“ oder „moving against the sun.“ Und auch im Sinne einer gegensätzlichen Richtung zum Üblichen zu handeln, quasi ein Handeln gegen den Uhrzeigersinn, in entgegengesetzter Richtung. Dazu äußert sich Berty: „Mit Tusche und Farbe bedecke und verändere ich die Formen, andere Formen entstehen. Der Ausgangspunkt verliert seine Einheit, die Zeit zwischen Anfang und Ende einer Arbeit ist lang und hat ihre Bedeutung. Der Kernpunkt ist immer die Darstellung, die sich strahlenartig erweitert, zerspaltet und verschiebt, die zerfällt, die sich verliert und verbirgt und in einer anderen Form wieder zurückkommt.“ Folgerichtig entsteht 2015 ein Animationsvideo über „einen leeren Raum, der sich langsam füllt.“ Ihr Sohn John-Daniel, mit dem sie öfter zusammenarbeitet, hat das Video vertont, auch die Tochter Jessica hat mit Stimme und Sound mitgewirkt. Berty Skuber verfolgt Fragestellungen, wie Ideen und Gedanken eine neue Form finden. Dabei steht aber immer die Zeichnung und das Wort im Mittelpunkt ihrer Arbeiten. Dies führt zu einem Komplex einer intensiven Korrespondenz, und zwar dem Briefwechsel zwischen Berty Skuber und Dr. Wulf Becker-Glauch in einem Zeitraum von 1990 bis 2015, dem Jahr, in dem der 92jährige Mediziner starb. Becker-Glauch, der Neffe der Worpsweder Malerin Paula Modersohn-Becker gilt zu Recht als ein Pionier der Humanistischen Kunsttherapie, hat er doch als Psychiater dazu beigetragen, dass die Patienten im Alexianer-Krankenhaus, Haus Kannen, in Münster, wo er zuletzt tätig war, zum künstlerischen Gestalten angeregt wurden, auch um ihr Wohlbefinden zu verbessern. Heute befindet sich dort unter anderem auch ein Museum für Art Brut und Outsider Art. Bei der ersten Ausstellung mit Arbeiten von Berty Skuber in der Galerie Clasing hatte Becker eine kleine Zeichnung erworben und dabei die Künstlerin kennengelernt. Es folgte eine 25 Jahre andauernde Korrespondenz mit über 500 Briefen. Jeweils nach zehn Briefen erfolgte eine Analyse dieser Schriftwechsel. So hat Becker sich einmal über die Labels und Zeichnungen geäußert: „Diese Fortwirkung in der Hand- und Bildschrift, die mail art...Ein Kunstwerk entsteht aus dem anderen.“ Die Briefumschläge und Postkarten hat Berty Skuber einer kalligrafischen Umarbeitung unterworfen, in der sich ihre ganzheitliche Betrachtung der Welt offenbarte. In einem Brief vom 19. Juli `98, der mit „Ein Gedanke an jemanden der zu mir sprach“ überschrieben ist, schreibt der Sohn Johnny an seine Mutter Berty: „...Ein bunter wunderschöner Vogel sprach zu mir/ zierlich wie jene Prinzessin/ die wie in einem Märchen nur zu schlafen schien/ und deren Geist ich nie gekannt/ er sagte:/ such` nicht in mir/ was du bei dir trägst/ meine Freiheit gibt es nur in dir./ Mit einem Dankeschön für Dr. Wulf Becker-Glauch.“
Michael Wessing