Der Berliner Künstler hat seine Ausstellung mit dem Titel B-Musik überschrieben, überläßt jedoch dem Betrachter seine eigenen Interpretationsweisen ob der Namensgebung.
Der B-Begriff kann alles sein – so Frieder Schellhase - , man mag an Bach-Modulationen denken, an B-pictures, an A und B, oder an die b-Vorzeichen in der Musik als Angabe der Tonart.
Für den Künstler selbst ist das Eintauchen in seine eigene Welt maßgeblich. Sich selbst zu überraschen ist ihm wichtig.
So etwas entsteht beispielsweise bei den geklappten Papier- oder Kartonarbeiten. Neue Farbformen entwickeln sich durch das Zerdrücken des Farbauftrags. Werden die Bilder wieder aufgeklappt, haben die ursprünglichen Farben – meist ein kräftiges Blau mit einem roten Zentrum - durch den Arbeitsprozeß des wieder Öffnens veränderte Farbstufen erreicht. Gleichzeitig eröffnet sich mit der zufälligen neu entstandenen Binnenzeichnung auch eine neue Welt sowohl für den Betrachter als auch für den Künstler selbst.
Dabei ist für Schellhase das Arbeiten nach dem seriellen Prinzip von Bedeutung.
Bei den Bildern aus der „B-Serie“ erscheinen ähnlich verlaufende Farbformen von Magenta bis Pink durch mehrmals gefaltete Strukturen horizontal sichtbar als eine Art Unter- oder Hintergrund, vor dem sich die modulierte Farbgestaltung in allen Tönen der Palette abspielt und Spannung aufbaut.
Andere Werkgruppen, die, wie er betont, ohne die vorangegangenen nicht denkbar wären, bezeichnet Frieder Schellhase mit „Neukölln“ und „TV Köpfe“.
Bei der „Neukölln“-Serie dienen alte Wurfsendungen aus der Werbung als künstlerische Grundlage, auf welcher der Künstler mit schwarzem Filzstift bzw. schwarzer Tusche Figuren und Gesichter quasi „herausmalt“. Dies geschieht, in dem er den Rest der Prospektfläche „zumalt“. Auch hierbei ergeben sich völlig überraschende Strukturen. Auf den ersten Blick sucht der Betrachter nach vermeintlicher Plastizität in der Oberfläche, die durch die Abbildungen von Polstermöbeln, Wohnaccessoires oder Büroeinrichtungen vorgetäuscht wird. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man die im künstlerischen Prozeß frei entwickelte Struktur. So werden beispielsweise Preisangaben, Firmenlogos, Computertastaturen oder die Werbeaufschrift „Liebe auf den ersten Blick“, für zwei Kopfdarstellungen genutzt, oder man erkennt auf einmal, daß es sich bei einem stehenden Paar im Grunde ein um 90° gedrehtes, dreisitziges Sofa handelt. Und die „Wartenden“ – warten sie womöglich immer noch darauf, daß sich wieder jemand auf ihren Sofakörper setzt?
Frieder Schellhases Assoziationen sollen keineswegs mit denen des Betrachters übereinstimmen, sie sind für jedermann gänzlich individuell. Um im Bildmodus der Musik zu bleiben, könnte man hier vielleicht auch von einer enharmonischen Verwechslung sprechen.
Das gleiche Verfahren verwendet Schellhase auch bei der Folge der „TV Köpfe“, nur werden hierbei als Bildgrund Fernsehprogrammhefte gewählt. Im Briefmarkenformat mit 6,4 x 4,7 cm schafft er neue surreale Welten.
Es paßt zu Frieder Schellhase, dem Literaturwissenschaftler und philosophisch Bewanderten, daß er nichts von seiner realen Biographie preisgibt.
Michael Wessing
Zusammen mit: Daniel Grüttner
Frieder Schellhase • B – Musik